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HC ERLANGEN STOPPT LEIPZIG UND SICHERT SICH DEN NÄCHSTEN HEIMSIEG

23.03.2023

Immerhin gab es ja noch diese besondere Historie. Viel mehr aber, als dass der SC DHfK Leipzig in neun Bundesliga-Partien in der ARENA NÜRNBERGER Versicherung noch nie beim HC Erlangen gewinnen konnte, war an Mutmachern vor der Partie nicht mehr übrig gewesen. Nicht aufs Hinspiel konnte man sich aus Erlanger Sicht besinnen (das hatte Leipzig gewonnen), nicht auf die aktuelle Form (Leipzig kam mit vier Siegen in Serie, unter anderem in Kiel, gegen die Rhein-Neckar Löwen, gegen den SC Magdeburg), nicht auf den Tabellenstand (Leipzig Platz 7, Erlangen Rang 11). "Es geht gegen die derzeit mit Abstand beste Mannschaft der Liga", hatte Raul Alonso mit großem Respekt angekündigt. Und nach fünf Minuten schienen die Dinge genau so ihren Lauf zu nehmen, wie ihn der Cheftrainer und Sportdirektor des HCE vermutet hatte: Es führten die Gäste entspannt mit 4:1.

Dass der vermeintliche Spaziergang in Erlangen aber noch mit einer bösen Überraschung enden wollte, dafür sorgte nun die Leidenschaft, die der HCE ins Spiel brachte. Den ersten Knacks im Leipziger Spiel, den besorgte ein harter Zusammenprall von DHfK-Linkshänder Viggo Krintjansson mit Christopher Bissel. Ein Auffahrunfall, der wirkte, als hätte man Sand ins funktionierende Getriebe gekippt:  Sogleich begann der Leipziger Motor zu knirschen und zu stottern, prompt stand es wieder 4:5. Der Effekt der Härte elektrisierte nun die Gastgeber, die sich über Aggressivität und Intensität die Spielkontrolle zurückerkämpften - und diese dann mit handballerischer Klasse füllten.

Leipzig, das es mit enorm viel Selbstbewusstsein aus all den Favoritenstürzen gewohnt war, das Tempo zu steuern, musste nun hinterherlaufen, hinterherschnaufen, Schmerzen einstecken und sich darüber lautstark beschweren. Das machte sich bemerkbar: Der HCE konterte Mal ums Mal eiskalt mit hohem Tempospiel, obwohl es kurz zuvor einen Totalausfall aller Abwehrsysteme gegeben hatte.
Erst flog Abwehrchef Sebastian Firnhaber mit Platzverweis vom Feld - er hatte wohl Leipzigs Simon Ernst bei einer Abwehraktion unglücklich im Gesicht erwischt -, dann verlor Erlangen mit Nikolai Link auch noch den zweiten Innenblock-Spieler - er soll Kristjansson am Hals getroffen haben. "Glücklicherweise", meinte Raul Alonso später, "haben wir mittlerweile eine sehr gut funktionierende 5-1-Deckung.

Vor dem letzten verbliebenen Fels in der Brandung, Tim Zechel, flitzte, biss und kämpfte nun Christopher Bissel wie ein Superheld auf Siebenmeilen-Stiefeln um jeden Zentimeter Boden. Immer wieder bekam der Erlanger seine Gegenspieler zu greifen und zu packen, unterbrach so nachhaltig das Spieltempo - so etwas wie das Lebenselexier der Leipziger Offensive. DHfK begann nun endgültig, ebenso in den Kampfmodus zu wechseln. Stellte das aber derart ungeschickt an, dass nach Doppelstrafe gegen Binder der HCE die Überzahl nutzte und mit knapper Führung und viel Euphorie in die Halbzeit verschwand. 28 Minuten hatten beide Seiten bis dahin insgesamt in Unterzahl gespielt.

Erlangen entwickelte nun aus einer sicheren Defensive und mit einem hervorragenden Umschaltspiel auch offensiv eine enorme Klasse. Leipzig musste sich bei Nachwuchstorwart Parcal Bochmann (mit Lizenz vom EHV Aue in den Kader gerückt) bedanken, dass der HCE hier nicht schon dem Favoriten  entscheidend enteilt war: Bochmann bekam immer wieder ein Körperteil an den Ball, zeitweise betrug seine Quote fast 60 Prozent gehaltene Bälle.

Doch nicht einmal davon ließ sich der stark dezimierte Gastgeber an diesem Tag nachhaltig beeindrucken: Erlangen machte einfach weiter wie zuvor, wartete auf seine Chancen - um dann eiskalt zuzuschlagen. Als HCE-Keeper Bertram Obling einen Siebenmeter parierte, begann die Halle spätestens, ihren HCE auf die Schultern zu heben und Richtung Ziellinie zu tragen (25:22, 42.). Erlangens Nummer 16 wuchs phasenweise über sich hinaus, jeder zweite Ball war sichere Beute - und vorn funktionierte genau das, was eine Woche zuvor in Hamburg noch schief gegangen war: die Chancenverwertung.
Nicht einmal die Kraft wurde nun mehr zu einem ernsthaften Faktor, weil Erlangen - angestachelt vom nimmermüden Publikum und "einer gehörigen Portion Adrenalin", wie Dauerläufer Christopher Bissel später abgekämpft verriet - die Schmerzen, die Erschöpfung einfach verdrängte und keinen Zentimeter an Boden hergab. Als ein treffsicherer Simon Jeppsson das 31:27 (52.) gelang, begann auch Leipzig zu spüren, dass es mit dieser eindrucksvollen Serie in Erlangen wohl vorbei sein würde. 36 Treffer gelangen letztlich dem HCE in einem wilden, phasenweise unübersichtlichen Kampfspiel, Leipzig traf zwar satte 32 Mal ins Erlanger Tor - doch war am Ende genauso weit wie vor der Begegnung: In Nürnberg, so scheint es, kann DHfK selbst als Übermannschaft der Liga einfach nicht gewinnen.

Erlangen: Obling, Ferlin; Heiny, Sellin, Bialowas, Firnhaber, Büdel 4, Bissel 6, Metzner 1, Link, Jeppsson 7, Steinert 6/3, Olsson 7, Zechel 5.

Leipzig: Säveras, Bochmann; Wiesmach 4, Ernst 1, Binder 2, Klima 5, Ivic 2, Preuss 2, Sunnfeldt 5, Gebala 5, Matthes 1, Kristjansson 5/1.