Detailansicht

34:27-NIEDERLAGE IN LEMGO

27.11.2022

Eine gute Halbzeit auf Augenhöhe, vielleicht sogar mit ein paar Vorteilen im Angriff - und eine umso schwächere zweite Hälfte bescherten dem HC Erlangen auswärts beim TBV Lemgo eine schmerzhafte 27:34 (16:17)-Niederlage. Das ist gleichzeitig die vierte Pleite in Folge, wenngleich die ersten drei allesamt gegen die ganz großen Teams im deutschen Handball - Flensburg, Kiel und die Rhein-Neckar Löwen - unterlaufen waren. „Wir haben diese Partien in Ruhe analysiert und dabei noch einmal gesehen, dass wir auf sehr, sehr gutem Niveau agiert haben“, hatte Raul Alonso vor der Auswärtspartie in Lemgo noch hoffnungsvoll gesagt. Eine starke Deckung, ein kluges Angriffsspiel, einzig die Chancenverwertung hatte es zu bemängeln gegeben - und am Ende blieb der HCE punktlos. Beim TBV sollte - trotz der verletzungsbedingten Ausfälle der beiden Linkshänder Antonio Metzner und Hampus Olsson - die Wende eingeleitet werden, was zumindest die Punkteausbeute angeht. „Wir wollten eine neue Serie starten“, verriet auch HCE-Kapitän Sebastian Firnhaber hinterher - das misslang in der zweiten Hälfte leider regelrecht krachend.

In die Partie hatte Erlangen noch besser gefunden, vor allem Klemen Ferlin, der Schlussmann der Gäste, zeigte sich gleich in Bestform. Der Slowene parierte bis zur Pause sechs Würfe. Gleichzeitig lief vorn das Angriffsspiel rasend schnell, immer wieder entfacht von Neuzugang Lutz Heiny. Der fand erst Christopher Bissel, dann Tim Zechel am Kreis - und Erlangen führte mit 2:0 (3.). In Überzahl glich Lemgo wieder aus, ehe erneut Ferlin-Paraden und treffsichere Würfe vorn eine weitere Zwei-Tore-Führung für die Gäste ermöglichten (5:3, 9.). In Überzahl schraubte der HCE den Vorsprung gar auf 8:5 (13.), ehe sich erstmals der Fehlerteufel ins Passspiel der Gäste schlich. Der starke Samuel Zehnder, vor der Saison aus der Schweiz zum TBV gekommen, per Siebenmeter und Gegenstoß-Treffer, stellte den Ausgleich wieder her - eingeladen jeweils vom HCE. Doch noch einmal antwortete der Tabellensechste aus Erlangen prompt und kompromisslos. Zum einen hatte Simon Jeppsson endlich sein Visier richtig eingestellt, zum anderen blieb Christoph Steinert, der im rechten Rückraum einzig durch Rechtshänder Nico Büdel Verschnaufpausen bekommen konnte, treffsicher vom Siebenmeterstrich. Im Galopp ging es so Richtung Pausentee, mal traf Erlangen, dann wieder Lemgo - als auch der andere Außenspieler, Kapitän Lukas Zerbe, begann, für Lemgo Tore zu werfen, brachte das die erste Heimführung überhaupt (12:11, 21.). Noch einmal stemmte sich Erlangen mit Selbstbewusstsein und Klasse dagegen, sogar in Unterzahl traf Sebastian Firnhaber zum 14:13 - dann machte sich der Torwartwechsel von Lemgos Coach Florian Kehrmann bemerkbar: Für den glücklosen Finn Zecher brachte er Altmeister und Nach-Verpflichtung Borko Ristovski. Der 40-Jährige sollte eine Schlüsselrolle einnehmen in dem, was noch passieren würde: Seine ersten drei Paraden in den verbleibenden vier Minuten bis zum Seitentausch ließen wiederum Lemgo mit 17:16 und einem Schuss Selbstbewusstsein in die Kabine gehen.

Aus der nun kam Erlangen wie verwandelt - leider im negativen Sinne. Plötzlich gelang offensiv den Gästen nahezu überhaupt nichts mehr, hinten fehlte schlagartig die notwendige Aggressivität, um vor allem das Deckungszentrum zu schließen. Quälend lange neun Minuten und zwölf Sekunden lang traf der HCE nicht mehr ins Lemgoer Tor, die Gastgeber konnten so fast spielend leicht davonziehen mit einem Sechs-zu-Null-Tore-Lauf. Als Cheftrainer Raul Alonso merklich angefressen zur Auszeit für Erlangen rief, stand es bereits 16:21 aus seiner Sicht. Verschwunden das Momentum, verschwunden das blitzschnelle Hin und Her im Torewerfen, verschwunden der bis dato starke und hoffnungsvolle Auftritt seiner Mannschaft. Verflogen auch all das Selbstbewusstsein, der Wille, das Selbstverständniss. Der HC Erlangen wirkte hingegen urplötzlich verunsichert, ängstlich, ideenlos und frustriert. „Wir sehen eine Mannschaft, die Bock hat. Und eine, die sich schon aufgegeben hat“, rief Alonso in die Gesichter seiner Spieler. Der Motivationsschrei zeigte Wirkung: Deutlich entschlossener ging es zurück ans Werk, Simon Jeppsson antwortete mit zwei wuchtigen Treffern aus dem Rückraum und warf somit die Bretter, die der überragende Ristovski zwischen die Pfosten geschraubt hatte, krachend wieder ein. Erlangen musste nun viel mehr wagen, offener spielen. „Das hat Lemgo eiskalt ausgenutzt“, sagte Firnhaber später. Erlangen mühte sich nun im Angriff engagiert, aber ohne wirkliche Wirkungskraft. Es fehlten die entscheidenden Akzente, die Ballgewinne, die einfachen Treffer. Jedem Tor ging nun ein wahrer Kraftakt voraus, gleichzeitig profitierte Lemgo immer wieder von Ballgewinnen und einfachen Toren - Zerbe und Zehnder, vor deren Schnelligkeit Alonso noch gewarnt hatte, trafen am Ende zusammen 13 Mal. Dabei hatte sogar der eingewechselte Bertram Obling noch fünf Mal seinen Körper entscheidend an einen Torwurf bekommen, sogar zwei Siebenmeter von Samuel Zehnder pariert. Die erhoffte Initialzündung durch die Paraden verpuffte jedoch, Erlangen drohte zeitweise in sich zusammenzufallen - weil sich auch noch der Handballgott gegen die Gäste gestellt hatte, wie es schien. Einmal, da krachte ein Büdel-Wurf an beide Innenpfosten und sogar an die Ferse von Ristovski, wollte aber nicht über die Torlinie rollen. Was der HCE auch tat, wie er sich nun mühte - es blieb glücklos. Währenddessen Lemgo Tor um Tor nachlegen konnte und ungefährdet im Jubel der Fans die Ziellinie überquerte.

„So kurz nach dem Spiel ist es schwer zu analysieren, was nach der Pause schief gelaufen ist“, sagte Kapitän Sebastian Firnhaber traurig. „Die Verletzten dürfen keine Ausrede sein und sind auch keine Ausrede - nun müssen wir den gesamten Dezember richtig Vollgas geben und Punkte sammeln.“ In Lemgo hat das am Sonntagabend noch nicht geklappt.

STATISTIK
TBV Lemgo

Tor: Ristovski, Zecher
Samuel Zehnder (7),Lukas Zerbe (6), Niels Versteijnen (5), Lukas Hutecek (4), Gedeon Guardiola (4), Emil Lärke (3), Jan Brosch (2), Tim Suton (2), Frederik Simak (1), Bobby Schagen, Niko Blaauw, Kian Schwarzer,

HC Erlangen:
Tor: Klemen Ferlin, Bertram Obling
Christoph Steinert (6), Simon Jeppsson (5), Lutz Heiny (5), Tim Zechel (5), Christopher Bissel (2), Manuel Zehnder (1), Johannes Sellin (1),  Steffen Fäth (1),  Sebastian Firnhaber (1), Stephan Seitz, Yannik Bialowas, Nico Büdel, Nikolai Link, Justin Kurch