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HC ERLANGEN MIT WECHSEL AUF RECHTSAUßEN

09.03.2023

Ende Januar 2017 lud der HC Erlangen nach Tennenlohe in die Unternehmenszentrale des langjährigen Partners Sontowski&Partner, um die damals spektakulärste Verpflichtung seiner damals noch jungen Bundesligageschichte zu verkünden. Es wurde der amtierende Torschützenkönig der Handball-Bundesliga und Europameister 2016 vorgestellt, Johannes Sellin. "Ich möchte mich als Führungsspieler weiterentwickeln und dem Verein helfen, ihn nach oben zu bringen", sagte der 26-Jährige damals. Sellin hatte sich da noch nie ernsthaft verletzt und stand am Höhepunkt seiner Karriere. Privat hatte er sich eben erst mit Julia in deren Heimat Brasilien standesamtlich vermählt. "Was dann kam, so ehrlich muss man sein, hatte ich mir - und auch der Verein sich - zunächst mal ganz anders vorgestellt", sagt Sellin heute. Die ersten drei Jahre fiel der Linkshänder beim HCE immer wieder lange aus. Zwei Mal brach er sich kurz hintereinander einen Finger, endlich wieder fit, riss beim Hechtsprung nach einem Ball ein Muskel. "Es war wie verhext", sagt er, "ich glaube, mich hat das dann mental doch mehr beschäftigt, als ich mir das eingestehen wollte."

Das, was den flinken, frechen Rechtsaußen in Melsungen zum Führungs- und Nationalspieler hatte werden lassen, all die Lockerheit und das Selbstbewusstsein, war wie verflogen. Doch Sellin fing sich wieder, Schritt für Schritt. Privat wurde die Tochter in Erlangen geboren, "sie ist eine Fränkin", sagt er stolz, seine Rolle innerhalb der Mannschaft wurde immer wichtiger und auch auf dem Feld wuchs die Quote. "Ich habe mich in den sechs Jahren beim HCE menschlich wie sportlich weiterentwickelt", findet Johannes Sellin. Zwar warf er nie mehr so viele Tore wie in Melsungen, doch machte er aus weniger Chancen mehr Treffer. "Ich bin immernoch so emotional wie früher, der Heißsporn ist schon noch da", sagt Sellin, "aber ich kann das nun viel besser kanalisieren". Die Reife kam über das Vatersein, aber auch das Alter. "Ich bin jetzt eben 32, keine 26 mehr.“

Die Entscheidung des HC Erlangen, den im Sommer auslaufenden Vertrag nicht mehr mit ihm zu verlängern, hat ihn daher auch nicht mehr ganz so überrascht. Weh tut sie ihm dennoch, Sellin ist mittlerweile in der Region verwurzelt. Immer häufiger setzte zuletzt Trainer Raul Alonso auf Hampus Olsson auf Rechtsaußen, Sellin blieb häufiger nur die Ersatzrolle. "Ich habe mich zurückgekämpft und insgesamt bis heute eine gute Saison gespielt", sagt er. Seine Wurfquote von 68 Prozent ziehen vor allem die beiden "Katastrophenspiele", wie er sie nennt, gegen Kiel und Hannover, nach unten. Ansonsten traf Sellin mindestens solide und zuverlässig, sechs von 13 Einsätzen lieferte er gar die vollen 100 Prozent ab. Das schnellere Spiel unter Trainer Raul Alonso kommt ihm - wie damals in Melsungen - zunehmend entgegen. Trotzdem möchte der Sportdirektor einen jüngeren, variableren Spieler auf dieser Position: "Johannes nimmt eine wichtige Rolle in der Mannschaft ein, sowohl auf dem Feld wie auch in der Kabine", sagt Alonso. "Fakt ist aber auch, dass wir bei Verletzungen auf der Linkshänder-Position im Rückraum nie reagieren konnten." Er weiß aber auch: "Wir haben großen Respekt davor und sind sehr dankbar dafür, was Jo in sechs Jahren in Erlangen geleistet hat. Er hat einen großen Anteil an der Entwicklung des gesamten Vereins."

"Was hängen bleibt, sind auf jeden Fall viele tolle Momente mit dem HCE. Aber auch, dass es furchtbar schade ist, dass ich den Schritt dauerhaft unter die Top 8 und in den Europapokal, wo der Verein immer schon hinwollte und wo er bald ganz sicher auch sein wird, als aktiver Spieler nicht mehr miterleben kann." Unvollkommen fühle es sich deshalb an, nicht abgeschlossen, sagt Sellin. "Also müssen wir jetzt Extragas geben, weil noch ist die Saison ja nicht vorüber."