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HC ERLANGEN PUNKTET ZU HAUSE VOR GROSSARTIGER KULISSE

14.05.2023

Die Partie war längst gelaufen, die 7387 Menschen, die gerade eben Zeugen eines großartigen, eines aufregenden Handballspiels mit einem zauberhaften Happy End für den HC Erlangen geworden waren, klatschten glücklich im Rhythmus der Sekunden die Zeit bis zur erlösenden Schlusssirene herunter, da flog noch ein allerletztes Mal Maximilian Gerbl für den TSV Hannover-Burgdorf von Rechtsaußen in den Kreis. Verloren war die Begegnung bereits für die Gäste, jenes 33:29, das oben auf dem Videowürfel leuchtete, es bedeutete den ersten Erlanger Sieg nach drei Niederlagen in Folge - und gleichzeitig den ersten Erfolg über Hannover seit über fünf Jahren. So häufig war der HCE nah dran gewesen, beim Hinspiel wäre die Mannschaft von Raul Alonso gar mit einem Sieg bis auf Tabellenrang zwei nach vorne gestoßen - am Ende gab es eine hauchdünne Niederlage. Nun aber, da durfte man sich endlich freuen - doch noch, noch flog ja dieser Gerbl auf Bertram Obling im Erlanger Tor zu.  Gerbl fuchtelte, täuschte an, wollte diesen letzten Versuch des Spiels unbedingt noch mit einem Torerfolg abschließen - doch Obling blieb einfach nur: stehen. Wenig später, als Gerbl gelandet war, klebte der Ball unter den Fußsohlen des Heimtorhüters. Es war seine sage und schreibe 14. Parade in dieser Begegnung. Bertram Obling, dieser strohblonde 1,93-Meter-Mann aus Aarhus, der nicht nur wegen der Geburt seiner kleinen Tochter in der Universitätsstadt mehr und mehr sein Glück gefunden zu haben scheint, er schien für diesen Augenblick selbst nicht mehr so ganz zu wissen, wie er diesen Ball auch noch pariert hatte.  "Bertram hat überragend gehalten heute", freute sich auch Hampus Olsson, der zweite Erlanger Held des Tages, wenig später in die Fernsehkamera - neun Treffer aus dem Feld hatte er zum Heimsieg beigetragen und dabei, wie er versicherte, auch nichts anderes gefrühstückt wie an allen anderen Sonntagen zuvor. Dabei hatte es lange Zeit danach ausgesehen, als würde das favorisierte Hannover auch im fünften Duell mit Erlangen in Folge alle Punkte mitnehmen. Die Gastgeber, die einmal mehr auf wichtige Spieler wie Steffen Fäth und Antonio Metzner verzichten mussten, durften sich immerhin über die Rückkehr von Nikolai Link in den Abwehrverbund freuen. Mit Fieber war der noch in Berlin ausgefallen - nun aber räumte Link im Innenblock derart rigoros auf, als gehe es darum, eine zugemüllte Wohnung zu entrümpeln. Link packte zu, verschob, half, hielt, blockte und sprang - er riss seine Nebenleute mehr und mehr mit. Vorn fand der HCE im Positionsspiel immer wieder mutig Lücken oder traf mit schnellem Umschaltspiel mühelos. Wieviel Energie die große Kulisse der Mannschaft dabei gab, zeigte sich früh: Christoph Steinert erzielte per Kempa-Trick auf Zuspiel von Christopher Bissel die sehenswerte 8:6-Führung und man musste durch die Explosion der Begeisterung, die dieser Treffer beim Publikum auslöste, kurzzeitig ein wenig Angst haben, dass die ARENA nach Spielschluss plötzlich einen Satz auf die andere Straßenseite des Kurt-Leucht-Wegs gemacht haben könnte. All das jedenfalls half, um Hannover nicht davonziehen zu lassen. Mit einem knappen 14:15 ging es in die Halbzeitpause.  Aus der kamen die Gäste etwas treffsicherer und enteilten bis auf 17:14 (32.). Also musste Bertram Obling die Ärmel wieder hochkrempeln. In Unterzahl traf Lutz Heiny wenig später zum 18:18-Ausgleich. Spätestens jetzt war klar: Der Muttertagsausflug in die ARENA, er würde sich gelohnt haben! Vom 24:23 ab schaltete der HCE gleich zwei Gänge nach oben. In Windeseile erkämpfte sich die Heimmannschaft Ball um Ball, hinten kroch Obling mit seinen Paraden immer tiefer in die Köpfe der Hannoveraner Angreifer, vorn traf Christopher Bissel aus physikalisch fast nicht mehr zu berechnenden Winkeln ins kurze Eck. Und weiter überrollte Erlangen nun regelrecht seinen Gegner - mit aufgeblähtem Segel durch einen Orkan der Begeisterung ging es Angriff um Angriff nach vorn, Steinert, Firnhaber - alle zeigten sie keinerlei Respekt und Nerven, ehe Christian Prokop, der Gästecoach, mit einer Auszeit in höchster Not den Stecker zog. (27:23, 47.). Doch weiter spielte nur der HCE wie in einem wilden Rausch: Obling roch den frechen Siebenmeter-Heber von Marius Steinhauser und fing den Ball einfach herunter, vorn besorgte Hampus Olsson das 28:23, Bissel hechtete mit allergrößter Überzeugung einen frei herumspringenden Ball zum 29:23 ins Glück (49.). Doch Hannover wäre nicht Hannover, hätten sich die Gäste noch einmal gefangen. Bis auf 29:28 kämpfte sich der Gast wieder heran, sechs Minuten blieb der HCE nun ohne Treffer, taumelte und schwankte - auf den Rängen wurden die Menschen unruhig. Wie auch Cheftrainer Raul Alonso, der seine Spieler zu sich rief, an die Aggressivität, die Zweikämpfe und das Rückzugsverhalten erinnerte sowie Mut zur Lücke in der Offensive forderte. Seine Mannschaft gehorchte: Olsson mit dem 31:28, ein Steinert-Siebenmeter zum 32:28 und ein wild eingesprungener Kracher von Simon Jeppsson zum 33:29 setzten die Schlusspunkte unter ein begeisterndes, ein aufregendes Handballspiel.  "Es ist wichtig für uns, dass wir die schlechte Periode hinter uns lassen konnten", freute sich Hampus Olsson und blickte noch einmal hinauf auf die Ränge, wo die Menschen immernoch standen, klatschten und einfach noch nicht nach Hause gehen wollten.  HCE: Obling (14 Paraden, 28 Gegentore), Ferlin (0/1); Heiny 2, Seitz 1, Firnhaber 2, Büdel 2, Bissel 3, Link 2, Jeppsson 3, Steinert 8/3, Olsson 9, Zechel 1.  TSV: Ebner (4, 25), Quenstedt (2, 8); Vujovic 6, Mävers 2, Pevnov 1, Steinhauser 7/3, Michalczik 2, Kulesh 5, Gerbl 2, Brozovic 2, Feise 2. Schiedsrichter: Tobias Schmack, Philipp Dinges. Zuschauer: 7387. Zeitstrafen: 10 (Firnhaber 10., Büdel 22., Firnhaber 34., Seitz 50., Link 58.)  - 8 (Kulesh 11., Brozovic 19., Michalczik 39., Feise 47.) - Siebenmeter: 3/3 - 3/4 (Steinhauser scheitert an Obling, 47.) Spielfilm: 1:0, 6:6, 8:6, 11:11, 11:13, 14:15 (Halbzeit), 14:17, 18:18, 22:20, 24:23, 29:23, 29:28, 32:28, 33:29.